Berliner Liste 2012
Michael Luthers Hinwendung zur Malerei ist eine kalkulierte Bedrohung der Oberflächlichkeit. In meisterlicher Technik entsteht ein kühner Realismus, der zu den Dingen selbst vordringen will. Erhabene Farblandschaften, konkrete Architekturstudien und Raumatmosphären mit anthropomorphen Qualitäten, Miniaturisierungen und Gigantisierungen, Spiegelungen, Lichtstudien und Selbstreflexionen: Oft schickt Luther seinen Betrachter in scheinbar unbewohnte Räume und lässt ihn die personelle Besetzung selbst vornehmen.
Mit allegorischer Raffinesse und unverbrauchter Doppeldeutigkeit trotzt Michael Luther gesellschaftlichen Erschöpfungszuständen und dekliniert virtuos die Sujets der Alten Meister durch. Nie ohne die Frage nach dem „Wer bin ich?“, „Woher komme ich?“, „Was mache ich?“ zu stellen. Bekannt wurde Luther durch ins Monumentale gesteigerte, hyperrealistische Farbkompositionen von überwältigender Sinnlichkeit, wie Die Große Liebe (2001), Aufbruch (2006) oder Colourado (2005), das im September als „Schlüsselwerk“ der BERLINER LISTE in den Messehallen zu sehen sein wird. Aktuell experimentiert Luther mit feinstofflich-monochromen Marmorierungen, die wie Röntgenbilder dieser Farblandschaften anmuten.
Es gibt Ateliers, die wollen in jeder Lebensepoche neu besucht werden. Nicht zuletzt, weil man aktuelle Antworten auf Fragen der Kunst, der Welt oder des Lebens an sich sucht. Michael Luthers Atelier gehört dazu. Hier ist alles Kunst, alles Bekenntnis. Luther bringtetwas zuruck, das die Kunstgeschichte immer wieder verloren gab: Die Malerei als metaphysischen Akt der Selbstvergewisserung.
Verena Voigt M.A. (Kunsthistorikerin) 2012